Ein Wortprotokoll des Vortrags von Senator Kerstan.
Ein Wortprotokoll von der allgemeinen Diskussion mit Senator Kerstan.
Die vom Bau einer Elbtrasse Betroffenen
wurden von Umweltsenator Kerstan gründlich getäuscht
Aus dieser ausführlichen Analyse mit wörtlichen Zitaten von Senator Kerstan geht hervor, wie sehr Senator Kerstan die bei dieser Veranstaltung am 16.9.2019 Anwesenden falsch unterrichtet und getäuscht hat.
Am 11. September 2019 reichte die Wärme Hamburg GmbH (WHH) einen Genehmigungsantrag für das Projekt Fernwärme-Systemanbindung West bei der Behörde für Umwelt und Energie (BUE) ein. Die Umweltbehörde möchte für den Ersatz des Heizkraftwerks Wedel eine sehr teure Fernwärmetrasse mit Elbunterquerung bauen lassen. „Parallel zum Start des Genehmigungsverfahrens wurden die Anwohnerinnen und Anwohner entlang des geplanten Leitungsverlaufs über das Projekt informiert.“ so kann man es bei Wärme Hamburg lesen. Die Bürgerinitiative „Keine Elbtrasse!“ hatte Senator Kerstan zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung am 16. September 2019 in die Aula der Volkshochschule in der Waitzstraße eingeladen. Es kamen rund 200 Betroffene, ganz überwiegend Anwohnerinnen und Anwohner.
Senator Kerstan hat bei dieser Veranstaltung die Zuhörerinnen und Zuhörer über das Projekt in mehrfacher Hinsicht getäuscht. Das soll hier im Einzelnen belegt werden.
Die BUE verweigert die Prüfung einer Alternative ohne Elbtrasse
Der Hamburger Energienetzbeirat (ENB) richtete am 29.11.2018 mit einem fast einstimmigen Beschluss eine Arbeitsgruppe (AG) zur „Ausgestaltung der Ersatzlösung für das HKW Wedel“ ein. Parallel dazu empfahl er der BUE in einem weiteren Beschluss, „unverzüglich eine Ersatzlösung für das Heizkraftwerk Wedel zu prüfen, die keine Elbquerung benötigt und die auf dem vom Beratungsbüro BET im Jahr 2015 vorgeschlagenen modularen Ansatz mit Schwerpunkt am Energiestandort Stellinger Moor aufbaut.“ Die Begründung zu diesem Antrag enthielt eine umfangreiche Kritik an der von der BUE geplanten „Südvariante“.
Aus dem Protokoll zu dieser ENB-Sitzung am 29.11.2018: „Antrag ist damit angenommen und der Beirat empfiehlt der BUE mehrheitlich, unverzüglich eine Ersatzlösung für das Heizkraftwerk Wedel zu prüfen, die keine Elbquerung benötigt und die auf dem vom Beratungsbüro BET im Jahr 2015 vorgeschlagenen modularen Ansatz mit Schwerpunkt am Energiestandort Stellinger Moor aufbaut.“
Der Amtsleiter für Naturschutz, Grünplanung und Energie der BUE versprach laut Protokoll, es könne auch für die BUE ein Anlass zu der beantragten Prüfung einer Ersatzlösung für das HKW Wedel ohne Elbquerung sein, wenn von der AG weitere Potenziale erneuerbarer Wärme bei der Nordvariante gefunden würden.
Die Arbeitsgruppe legte am 18. April 2019 dem ENB eine Präsentation und einen Bericht vor, in dem ein konkreter Ersatz des HKW Wedel auf einer etwa 100.000 m² großen Fläche im Stellinger Moor vorgeschlagen wurde, die nördlich an das geplante Zentrum für Ressourcen und Energie (ZRE) der Stadtreinigung Hamburg (SRH) angrenzt. Obwohl dieser Bericht die Bedingung des Amtsleiters nach mehr erneuerbarer Wärme erfüllte, nahm die BUE keine Prüfung der von der AG vorgeschlagenen Nordvariante ohne Elbquerung vor.
Prof. Rabenstein, Koordinator dieser Arbeitsgruppe, kritisierte bei der Diskussions-Veranstaltung am 16. September 2019, die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) sei im ENB seit mindestens zwei Jahren aufgefordert worden, eine „Nord-Variante“ im Stellinger Moor als Alternative zur „Süd-Variante“ (alias „Energiepark Hafen“) zu prüfen.
Senator Kerstan bestritt dies mit folgenden Worten:
„ … alle Punkte die Herr Rabenstein angesprochen hat, haben wir geprüft und haben wir auch dargelegt, wie unsere Ergebnisse sind. Herr Rabenstein findet diese Argumente nicht überzeugend. Das ist sein gutes Recht, zu sagen, ich find das nicht überzeugend. Was ich unfair und auch nicht richtig finde, ist, dass hier behauptet wird, wir hätten es nicht geprüft. Jeder der an den diversen Energienetzbeiratssitzungen der letzten Jahre teilgenommen hat, weiß, dass wir das geprüft haben und auch dem Energienetzbeirat … vorgestellt haben.“
Nicht nur aus der Nichtbeachtung der Ergebnisse der Arbeitsgruppe, sondern aus zahlreichen weiteren Protokollen des Energienetzbeirats geht jedoch eindeutig hervor, dass die BUE es bisher beharrlich abgelehnt hat einen Ersatz des Heizkraftwerks Wedel im Stellinger Moor als Alternative zur „Süd-Variante“ mit Elbtrasse zu prüfen.
Senator Kerstan hat demnach die vom Trassenbau Betroffenen hinsichtlich der Alternativen-Prüfung falsch informiert und getäuscht.
Fläche im Stellinger Moor bis 2025 als Baufeld benötigt?
Senator Kerstan erklärte, die von der Arbeitsgruppe vorgeschlagene Fläche sei zwar für die Errichtung von Ersatzanlagen für das Kraftwerk in Wedel groß genug, aber sie stünde bis 2025 nicht zur Verfügung, weil sie während der Bauphase des Zentrums für Ressourcen und Energie (ZRE) für dessen Baustelleneinrichtung gebraucht würde.
Senator Kerstan wörtlich unter Bezugnahme auf beide Flächen:
„Also, was richtig ist, ist, dass wir Standorte, wo die Flächen nicht zur Verfügung stehen, nicht weiter geprüft haben, weil, wenn man auf den Flächen nicht zugreifen kann bis 2025, dann muss ich da auch nicht anfangen zu prüfen wie man dort ein Kraftwerk baut. Und das war einfach, das war einfach das Problem an vielen Standorten, um nur noch mal zu sagen. ZRE da ist mal ein GUD geprüft worden zu einer Zeit wo das ZRE noch nicht in Planung war. Da stand also die gesamte Fläche zur Verfügung. Ein Teil dieser Fläche wird jetzt für das ZRE gebraucht und die andere Fläche wird während der Bauzeit eben für die Baueinrichtung und den Bau des ZRE gebraucht. Und darum steht die Fläche schon zur Verfügung aber eben frühestens ab 2025.“
Kerstan etwas später wörtlich:
„ …also, ich hab nicht gesagt, dass die Fläche nicht ausreicht, sondern dass ein Teil der Fläche für das ZRE benutzt wird und der Rest der Fläche eben während des Baus nicht zur Verfügung steht, weil er in der Bauphase mitbenutzt wird.“
Kerstan unterschied leider nicht deutlich zwischen einer Fläche, die der Stadtreinigung (SRH) gehört, und einer nördlich angrenzenden, die Hamburg Wasser gehört.
Da eine Behauptung wie die von Kerstan von der BUE bisher nie vorgebracht worden war, wurde sie nun überprüft. Es stellte sich Folgendes heraus:
In der Scoping-Unterlage für das ZRE vom 18.10.2017 steht die folgende Feststellung der beantragenden SRH zum Bau des ZRE: „Die Flächeninanspruchnahme für Baustelleneinrichtungsflächen und Materialzwischenlager erfolgt ausschließlich auf dem Betriebsgelände.“ (Seite 43; ähnlich auf Seite 61).
Da sich seit 2017 Änderungen ergeben haben könnten, wurde von der Bürgerschaftsfraktion der LINKEN in einer Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/18476, 24.9.2019, „Aktueller Stand der Errichtung des Zentrums für Ressourcen und Energie (ZRE)“ nachgehakt.
Die Antwort des Senats (Nr. 8): „Die SRH plant weiterhin, die Baustelleneinrichtungsflächen und Materialzwischenlager auf dem Betriebsgelände zu konzentrieren. Zur Entlastung der Situation werden parallel auch Gespräche mit Eigentümern der Nachbargrundstücke geführt.“ In solchen Gesprächen könnte es allenfalls um einen sehr kleinen Teil der fraglichen Fläche gehen, die Hamburg Wasser gehört.
Damit ist klar, dass Senator Kerstan die vom Trassenbau Betroffenen auch in diesem Punkt falsch informiert und getäuscht hat.
Für eine Gasleitung im Stellinger Moor würden Jahre gebraucht?
Senator Kerstan:
„Aber in der Tat ist bei dieser Fläche Stellinger Moor, ich hab auf die Fläche und die Verfügbarkeit hingewiesen und die Baustelleneinrichtung ist nicht für den Deckel, sondern für den Bau des ZRE und wir können weder das Abschalten bevor das ZRE fertig gebaut ist und das wird eben in 24 der Fall sein. Also können wir auch später … auf diese Fläche hin erst mit dem Bau anfangen. Das heißt, man ist schon zwei Jahre hintendran und insofern, gerade wenn Herr Rabenstein darauf hinweist, man muss bis 24 spätestens 25 fertig sein muss, das ist einer der Gründe wegen der Fläche. Der zweite Grund warum diese, diese an diesem Standort es nicht möglich ist, ist dass dort eine Gasleitung nicht die Kapazität hätte, die ein so großes Kraftwerk bräuchte. Wir müssten eine neue Gasleitung von der Hauptleitung quer durch die Stadt dorthin neu bauen. Dafür braucht man ein Planfeststellungsverfahren. Das dauert mehrere Jahre, genauso wie wir das jetzt hier bei, bei anderen Verfahren haben und insofern das auch ein weiterer Grund war, warum man sagte, bis 25 an der Stelle nicht schaffen kann.“
Hier greift Senator Kerstan auf Behauptungen zurück, die von der BUE im Energienetzbeirat mehrfach gegen den Standort Stellinger Moor vorgebracht worden waren. Die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) gab hohe Aufwendungen für die notwendige Infrastruktur als eine der Begründungen dafür an, dass eine Nordvariante im Stellinger Moor für den Ersatz des HKW Wedel nicht in Frage komme. Sie griff dabei sogar auf längst widerlegte Stellungnahmen von Vattenfall aus dem Jahr 2011 zurück.
Der Energienetzbeirat beschloss daher am 5.4.2018 eine Empfehlung an die BUE, unverzüglich die Kosten für die Infrastruktur zu ermitteln, die zusätzlich zu den Infrastrukturmaßnahmen für das Zentrum für Ressourcen und Energie (ZRE) notwendig werden, um die in der Nordvariante vorgeschlagenen Anlagen am Standort Stellingen betreiben zu können. Die BUE folgte dieser Empfehlung nicht.
Vom stellvertretenden Sprecher des ENB, Matthias Ederhof, wurde daraufhin im Dezember 2018 im Rahmen der Untersuchungen der Arbeitsgruppe „Ersatz des HKW Wedel“ bei Gasnetz Hamburg und bei Stromnetz Hamburg angefragt, welche Aufwendungen für die Ergänzung der Energieversorgungsnetze im Stellinger Moor erforderlich seien. Aus den verbindlichen Auskünften von Gasnetz Hamburg und von Stromnetz Hamburg geht hervor, dass die benötigte Ergänzung der Energieversorgungsleitungen im Stellinger Moor relativ einfach und zu bescheidenen Kosten möglich wäre. Von einem Planfeststellungsverfahren ist keine Rede.
Die Tatsache, dass Senator Kerstan immer noch Behauptungen, wie die oben zitierten, erhebt und sie sogar auf eine Notwendigkeit von Planfeststellungsverfahren zuspitzt, lässt darauf schließen, dass von der BUE das Stellinger Moor als Ersatzstandort nie ernsthaft geprüft wurde. Daher wurden die vom Bau der Elbtrasse Betroffenen auch in diesem Punkt von Senator Kerstan falsch informiert und getäuscht.
55 Prozent erneuerbare Wärme durch den Energiepark Hafen?
In seiner Präsentation am 16. September 2019 gab Senator Kerstan an: „Mehr als 55 Prozent der Fernwärme stammen aus klimaneutralen Quellen.“ Dieser Satz auf Seite 8 der Präsentation steht direkt unter der Seitenüberschrift „Energiepark Hafen“: Die Vorteile auf einen Blick“.
Wie in vielen ähnlichen Darstellungen wird damit von der BUE suggeriert, mit der Elbtrasse würden südlich der Elbe durch den Energiepark Hafen 55 Prozent der Ersatzwärme für das HKW Wedel erschlossen.
Die Arbeitsgruppe des ENB hat längst klargestellt, dass allenfalls 14 bis 18 Prozent der Wedel-Ersatzwärme aus dem „Energiepark Hafen“ kommen würden.
Etwa die Hälfte der angeblichen 55 Prozent soll im Zentrum für Ressourcen und Energie (ZRE) produziert werden, das in Kürze von der Stadtreinigung Hamburg im Stellinger Moor, also nördlich der Elbe errichtet werden wird. Weiter zählt Kerstan die Müllwärme, etwa 14 Prozent des Wedel-Ersatzes, komplett zur erneuerbaren Wärme. Dabei stecken im Müll große Mengen an fossilen Energieträgern. Darüber hinaus wird vom ihm ignoriert, dass die im Klärwerk Dradenau geplante Abwasserwärmepumpe mit elektrischem Strom aus dem normalen Netz angetrieben werden soll, sodass diese Wärmequelle nur wenig erneuerbare Wärme liefert.
Gegen diese Richtigstellungen durch Prof. Rabenstein hatte Senator Kerstan bei der Veranstaltung nichts Ernsthaftes vorzubringen. Die Bewertung von Fernwärme aus der Verbrennung von Müll als fast klimaneutral versuchte er sehr unbeholfen und wenig überzeugend so zu verteidigen:
Senator Kerstan:
„ … der Fachverband der Fernwärme, und das gilt für ganz Deutschland, berechnet Fernwärme, das ist die sogenannte AGFW-Methode, die haben wir hier in Hamburg nicht erfunden, die Fernwärme als klimaneutral. Aber nichtsdestotrotz, da in dem Punkt gebe ich Herrn Rabenstein recht. In der Klimabilanz der Freien und Hansestadt Hamburg ist Ham, eh, eh ist Müllwärme per se mit lediglich 50 Prozent erneuerbar, also wird sie nur mit 50 Prozent erneuerbaren CO2 frei.
Jetzt muss man bei der Klimabilanz noch sagen, das ist jetzt eine relativ komplizierte Geschichte, die hat, dagegen die Wärme geht ein und die Wärme, die will dem gesunden Menschenverstand widersprechen, geht nicht ein. Also in meiner Klimabilanz, die ich für Hamburg hab, die da zusammen mit dem Statistik Amt Nord erstellt, geht der Schiffsverkehr mit keinem einzigen Gramm CO2 ein. Ich finde die, der Flughafen Hamburg geht nur mit den Flügen ein, die von Hamburg abfliegen. Da wird nämlich nur das getankte Kerosin berücksichtigt. Es weiß glaube jeder, dass wenn so‘ n Flugzeug landet es auch CO2 also Treibstoffe verbrennt usw. taucht nicht ein, taucht es geht nicht in die Bilanz ein. Wir werden trotzdem in unserem Klimaplan Maßnahmen ergreifen, um den CO2 Ausstoß aus der Schifffahrt zu verringern und auch den CO2 Ausstoß des Flughafens, dass wir die Klimabilanz Hamburgs, so wie sie offiziell erhoben wird, in keinster Weise verändern. Das Kohlekraftwerk Moorburg, das über das gesprochen wird, als es ans Netz gegangen ist, hat sich die Klimabilanz Hamburgs nicht verschlechtert, weil’s eben als Stromproduktion für die ganze Bundesrepublik bilanziert wird.
Also insofern darf man hier kaum diese Klimabilanzierung jetzt nicht mit den realen CO2-Ausstößen vergleichen. Und das muss man aber machen, wenn man neue Anlagen baut. Baue ich jetzt ne neue Anlage oder nutzte ich ne vorhandene. Und vor dem Hintergrund ist eine vorhandene Anlage eben insofern CO2-neutral, dass durch die Auskopplung der Wärme kein zusätzliches CO2 entsteht. Die Alternative wäre eine neue Anlage, die würde zusätzliches CO2 produzieren und das im Prinzip, das ist die sogenannte AGFW-Methode beim Müll …“
Diese für einen schon über vier Jahre amtierenden grünen Umweltsenator erstaunlichen Äußerungen hat der Hamburger Energietisch ausführlich analysiert.
Das entscheidende Auswahlkriterium
Wenig erneuerbare Fernwärme aus dem „Energiepark Hafen“ in Verbindung mit sehr hohen Erschließungskosten infolge von rund 200 Mio. € für die Trassen und geringer Wirtschaftlichkeit eines Teils dieser Wärmequellen wie der Abwasserwärmepumpe: Ist das sinnvoll, wenn man bedenkt, dass auch ohne Elbtrasse die wirtschaftlichen Wärmequellen südlich der Elbe dort gut genutzt werden könnten?
Ein Maß, mit dem sowohl der ökologische als auch der ökonomische Sinn geprüft werden kann, sind die CO2-Minderungskosten. Um eine Tonne CO2 mit Hilfe von erneuerbarer Wärme südlich der Elbe einzusparen, müssen nach den Berechnungen der Arbeitsgruppe des ENB 150 € aufgewendet werden. Nach dem Vorschlag einer Nordvariante im Stellinger Moor ohne Elbtrasse werden nach Berechnungen der AG nur 20 € benötigt, um mit erneuerbarer Wärme eine Tonne CO2 einzusparen.
Zu diesem enormen Missverhältnis bei den Kosten hatte Senator Kerstan nichts zu sagen.
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Diskussion mit Umweltsenator Kerstan über die Elbtrasse
Veranstaltung der Bürgerinitiative „Keine Elbtrasse!“ am 16. September 2019
Energiepark Hafen oder Energiepark Stellinger Moor?
Umweltsenator Jens Kerstan stellte auf einer Pressekonferenz am 13. September 2019 sein Fernwärme-Konzept mit dem Schwerpunkt „Energiepark Hafen“ vor. Er werde schon am 16. September mit den vom Bau der geplanten Elbtrasse Betroffenen, „mit Gegnern und Anwohnern in Groß Flottbek diskutieren“, erklärte er bei dieser Gelegenheit. Die Bürgerinitiative „Keine Elbtrasse!“, die sich in den Stadtteilen Othmarschen, Groß Flottbek und Bahrenfeld gebildet hat, hatte Kerstan für diesen Tag zu einem Informations- und Diskussionsabend eingeladen.
Eine Arbeitsgruppe des Hamburger Energienetzbeirats „Ersatz des Heizkraftwerks Wedel“ hatte im April 2019 der Umweltbehörde (BUE) vorgeschlagen, den vom Bau der Elbtrasse Betroffenen überzeugend darzulegen, aus welchen Gründen die von der BUE favorisierte „Südvariante“ der „Nordvariante“ ohne Elbtrasse vorzuziehen sei. Zweck: Die Risiken von Klagen gegen die geplante Elbtrasse und eventuell auch gegen die Ersatzanlagen für das HKW Wedel durch proaktives Vorgehen zu verringern. Diesem Vorschlag entsprach die Veranstaltung.
„Südvariante“, das ist der „Energiepark Hafen“ mit einer Fernwärmeleitung unter der Elbe bis zum Hindenburgpark. Danach läuft diese Trasse durch Otmarschen, Groß Flottbek und Bahrenfeld bis zur Notkestraße.
„Nordvariante“, das ist ein „Energiepark Stellinger Moor“ ohne eine Elbtrasse.
Beiden Varianten gemeinsam ist das Zentrum für Ressourcen und Energie (ZRE), das in Kürze ebenfalls im Stellinger Moor errichtet werden soll und das ein gutes Viertel der zu ersetzenden Fernwärme durch Verbrennung von Müll liefern soll.
In der Aula der Volkshochschule West versammelten sich am 16. September 2019 nahezu 200 Interessierte, vor allem Anwohnerinnen und Anwohner, um mehr über die Planung einer Elbtrasse durch ihre Stadtteile zu erfahren.
Verkehrschaos mit Ansage
Die Sprecherin der Bürgerinitiative, Ute Heucke, warnte in ihrer Einführung vor dem Verkehrschaos, das unvermeidlich durch den Bau des A7-Deckels mit Sperrungen von Brücken über die Autobahn A7, durch den gleichzeitigen Umbau der Elbchaussee, durch die Veloroute 1 und den Bau von 2200 Wohnungen an der Luruper Chaussee und jetzt auch noch durch die Elbtrasse entstehen würde. Jahrelang müssten sich die Menschen in Othmarschen, Groß Flottbek und Bahrenfeld mit erheblichen Behinderungen und Belästigungen abfinden. Sie zeigte, dass zweispurige Straßen, die für die Vergrabung der Elbtrasse aufgerissen werden würden, über viele Monate für alle Fahrzeuge gesperrt werden würden. Der „Ausweichverkehr“ würde weiträumige Beeinträchtigungen zur Folge haben. Sie fragte: „Muss das wirklich Alles sein?“
Sie zeigte, dass für das ZRE ohnehin eine 1,5 km lange Wärmeleitung durch die vierspurige Schnackenburgallee in einem Industriegebiet gebaut werden wird. Für die „Nordvariante“ im Stellinger Moor, müsste diese nur einen doppelt so großen Durchmesser erhalten. Mit etwa 10 Mio. Euro käme dies weit billiger als die insgesamt etwa 200 Mio. Euro kostende Elbtrasse und die rechtzeitige Fertigstellung wäre gar kein Problem.
Kerstan: „Es geht nicht um das Ob und nicht um das Wo“
Senator Kerstan rührte das alles wenig. Er gab den Betroffenen klar zu verstehen, dass es „nicht um das Ob“ und „nicht um das Wo“ der Elbtrasse ginge und dass er eine Planfeststellung mit „sofortigem Vollzug“ vorsehen werde.
Vorhaltungen, die Betroffenen würden auf diese Weise glatt überfahren, beantwortete er damit, sie hätten ja zu den Sitzungen des Energienetzbeirat kommen können, der etwa alle zwei Monate in Wilhelmsburg tagt. Dort sei mehrfach über das Projekt „Erneuerbare Wärme Hamburg“ informiert worden.
Nun war der konkrete Verlauf der Elbtrasse nie Thema im Energienetzbeirats. Noch nicht einmal die Bürgerinitiative „Keine Elbtrasse!“ hätte vom geplanten Verlauf der Elbtrasse gewusst, wenn sie nicht durch einen Umweltverband informiert worden wäre, der beim so genannten Scoping-Termin am 24. Juni 2019 eingeladen war.
Bei einem Scoping-Termin wird mit ausgewählten Personen der Untersuchungsrahmen zur Planfeststellung für ein beantragtes Projekts besprochen. Hinzugezogen werden Personen beispielsweise von Dataport, Feuerwehr, Amt für Arbeitsschutz, STRABAG Property and Facility Services GmbH und etablierte Umweltverbände. Eine Bürgerinitiative der Betroffenen bleibt dabei außen vor. Sie wären ja ein Faktor, der stören könnte.
Senator Kerstan versuchte die Anwesenden mit Werbesätzen zu beeindrucken wie schon bei der Ankündigung seines Konzepts einer Ersatzlösung für das Kraftwerk Wedel im ndr:
„Unser Konzept ist insofern sehr innovativ, dass 55 % der Wärmeleistung jetzt durch erneuerbare Quellen und durch vorhandene Abwärmequellen genutzt werden und nur noch 45 % Gasanteil. Wir haben das Gaskraftwerk aber so ausgelegt, dass es in den nächsten Jahren auch mit Biogas oder auch mit grün erzeugtem Wasserstoff betrieben werden kann.“
Bei Fachleuten löst er mit solchen Sätzen Kopfschütteln aus, wenn er nach vier Jahren als Chef der Behörde für Umwelt und Energie (BUE) noch nicht zwischen Wärmeleistung und Wärmeenergie zu unterscheiden vermag. Er meinte natürlich die Anteile an der Ersatzwärme. Und weil leicht noch zwanzig Jahre vergehen werden, bis große Mengen von „grün erzeugtem Wasserstoff“ zu vertretbaren Preisen verfügbar sein werden.
Zu Senator Kerstans Lieblingsworten gehört „innovativ“ mit der Steigerungsform „hochinnovativ“. Wenn er sein Vorhaben als „eines der ehrgeizigsten und komplexesten Systeme zur Energieversorgung“ lobt und als „komplexestes Fernwärme-Umbauprojekt Deutschlands“, dann erwartet er wohl, dass darauf mit Staunen und Ehrfurcht reagiert wird.
Beim Großprojekt „Olympische Spiel 2024 in Hamburg“, das von allen Bürgerschaftsparteien bis auf die LINKE unterstützt wurde, stimmte aber die Mehrheit in einem Hamburg-weiten Referendum dagegen.
Und der Beitrag des „Energieparks Hafen“ zur Energiewende? Kerstan: „Das ist der größte Einzelbeitrag für die Klimaziele der Stadt, also rund 360.000 Tonnen CO2 werden wir nur durch den Ersatz des Kohlekraftwerks Wedel einsparen.“
Die Hamburger Umweltbehörde leugnet CO2-Emissionen aus der Verbrennung von Müll
Prof. Rabenstein, der eine Arbeitsgruppe des Energienetzbeirats zum Ersatz des HKW Wedel koordiniert, goss viel Wasser in Kerstans Wein. Er hält es für sehr bedenklich, dass eine Umweltbehörde behauptet, die Wärme aus der Müllverbrennung sei CO2-frei und klimaneutral. Dass die BUE erklärt, sie folge damit einer „Vorgabe“ der AGFW, einer Lobby-Organisation der Fernwärmebranche. Vattenfall hat die CO2-Emissionen aus der Müllverbrennung korrekt bilanziert. Die Umweltbehörde zieht es vor, zu schummeln.
Rabenstein zeigte als Ergebnis der AG des Energienetzbeirats, dass es viel kostengünstiger ist, den Ersatz des Kohlekraftwerks Wedel auf einer brachliegenden 100.000 Quadratmeter großen Fläche direkt neben dem ZRE zu bauen als im Hafen und zwar auf einer seit 20 Jahren großenteils brachliegenden Fläche mitten in einem Industriegebiet neben der Autobahn.
Mit der Nordvariante könnte man mit viel weniger Geld mehr echte erneuerbare Wärme finanzieren als mit der Südvariante. Der Energienetzbeirat habe vor fast einem Jahr der Umweltbehörde empfohlen, parallel zur Südvariante auch die Nordvariante im Stellinger Moor zu prüfen. Vergeblich. Vielleicht, weil in der Umweltbehörde klar ist, dass die Südvariante in diesem Vergleich schlechter abschneiden würde.
150 Euro oder 20 Euro pro eingesparte Tonne CO2?
Rabenstein fasste seine Ausführungen in zwei markanten Zahlenwerten zusammen: Die Einsparung von einer Tonne CO2 durch den Einsatz von erneuerbarer Wärme würde südlich der Elbe 150 Euro kosten, nördlich der Elbe aber nur 20 Euro. Ursächlich sei vor allem die teure Elbtrasse. Zum Vergleich: Zertifikate im Emissionshandel werden zurzeit mit 26 Euro gehandelt. Er hob abschließend hervor, dass südlich der Elbe vorhandene Quellen echter erneuerbarer Wärme besser vor Ort und ohne eine teure Trasse mit Elbquerung klimafreundlich eingesetzt werden könnten und sollten.
Für Senator Kerstan war das alles Schnee von gestern. Jahrelang sei die Nordvariante im Stellinger Moor von der BUE mitgeprüft worden. Ein erneuter Nord-Süd-Vergleich mit dem Standort Stellinger Moor sei somit nicht zielführend. Auf die neugierige Frage eines Zuhörers, ob dann in der Umweltbehörde auch Berichte über solche vergleichenden Prüfungen vorliegen würden, antwortete Kerstan: Solche Prüfungen seien gar nicht notwendig, weil die betreffende Fläche bis 2025 für die Baustelleneinrichtung und die Materiallagerung zum Bau des Zentrums für Ressourcen und Energie gebraucht würde. Ob das nur eine neue Ausflucht nach laut Rabenstein bereits neun vorausgegangenen ist, wird zu überprüfen sein.
Die Frage, ob die Anwohner wenigstens auch an die Fernwärme angeschlossen werden könnten, beantwortete der Trassen-Projektleiter Lassen-Petersen mit Nein. Nur bei dichter Bebauung mit Mehrfamilienhäusern würde sich ein Fernwärme-Anschluss rentieren.
Die offenbar viel zu hohen Kosten für das Projekt „Energiepark Hafen“ werden letztlich alle Hamburger tragen müssen. Denn das kürzlich zurückgekaufte Unternehmen „Wärme Hamburg GmbH“ wird dafür tief in Schulden gestürzt werden. Vorläufig schätzt die Umweltbehörde Investitionskosten von 750 Mio. Euro allein für den „Energiepark Hafen“. In Kiel werden für ein ähnliches Projekt, das bei fast gleicher Leistung in Kürze in Betrieb gehen wird, 290 Mio. Euro ausgegeben.
Senator Kerstan versicherte abschließend, sein Besuch müsse ja nicht der letzte sein. Solche Diskussionen könnten fortgesetzt werden. Aber wozu, wenn den Betroffenen keinerlei Einfluss auf die Entscheidungen gewährt wird, sondern sie nur über fertige Beschlüsse informiert werden sollen?
(Bildquellen: Mitschnitte vom NDR Hamburg Journal am 20.9.2019)
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