Ist die Elbtrasse notwendig für den Ersatz des Heizkraftwerks Wedel?

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Die „Planrechtfertigung“ im „Planfeststellungsantrag FWS-West“ ist besonders interessant. Der Bau einer elbunterquerenden Fernwärmetrasse „FWS-West“ als Teil des Ersatzes des Steinkohle-Heizkraftwerks Wedel soll durch dieses Schriftstück der Wärme Hamburg GmbH gerechtfertigt werden.

Eine ausführliche Analyse des Inhalts der Datei 3_2 Planrechtfertiging_Rev2.pdf zeigt allerdings, dass diese Rechtfertigung“ zahlreiche Falschaussagen und Irreführungen enthält.

Im Folgenden stellen wir Richtigstellungen und Kommentare Auszügen aus der Planrechtfertigung (lila) gegenüber.

Eine sich ständig wiederholende „Rechtfertigung“ für den Bau der alles in allem rund 200 Mio. € teuren Fernwärmetrasse von Dradenau nach Bahrenfeld ist, dass nur sie erlaubt, sehr viel „Abwärme Dritter“ einzubinden. Diese impertinent wiederholten Behauptungen sind im Folgenden durch Fettdruck gekennzeichnet, der sich nicht im Original findet.

Planrechtfertigung Seite 3:

„Des Weiteren soll der Anteil der leitungsgebundenen Wärmeversorgung an dem gesamten Endenergieverbrauch für Nutzwärme (Raumwärme + Warmwasser) bis 2030 auf mindestens 35% ausgebaut und die Preisstabilität der Fernwärmeversorgung gewährleistet werden. Deshalb muss auch die Wettbewerbsfähigkeit der Fernwärme betrachtet werden, die im direkten Wettbewerb mit dezentraler Wärmeerzeugung aus Energieträgern wie z. B. Erdgas, Heizöl, Wärmepumpen oder Holzpellets steht. Dazu dient insbesondere die Einbindung der Abwärme Dritter, mit der der Bedarf an fossilen Brennstoffen reduziert wird.“ (3.2.2.1 Klimapolitische Ziele)

Die Abwärme Dritter senkt also die Fernwärmepreise? Das ist ziemlich unwahrscheinlich. Denn zu den Abwärmequellen (wie der von Arcelor Mittal) müssen eigene Fernwärmeleitungen (Stichleitungen) für recht begrenzte Wärmeleistungen gebaut werden und auch die Integration in die komplizierte Anlagentechnik in Dradenau hat ihren Preis. Überprüfen lässt sich das kaum, denn die Wärmepreise, die an die Dritten gezahlt werden müssen, sind natürlich ein Geschäftsgeheimnis …

Planrechtfertigung Seite 4:

„Das kohlebefeuerte HKW Wedel befindet sich trotz mehrerer Modernisierungen am Ende seiner technischen Nutzungsdauer. Weitere Modernisierungen sind aufgrund des technischen und wirtschaftlichen Aufwands nur sinnvoll, um die Zeit bis zur Fertigstellung der Ersatzlösung zu überbrücken. Ein Ersatz für die alte Anlage, die derzeit rund 180.000 Wohneinheiten mit Wärme versorgt, ist dringend erforderlich. Zusätzlich zum Ersatz der Wärmeleistung des HKW Wedel muss auch neue Leistung für die Deckung der steigenden Wärmebedarfsentwicklung der nächsten zehn Jahre geschaffen werden, um die Vorgabe zu erfüllen, dass der Anteil der leitungsgebundenen Wärmeversorgung an der Gesamtversorgung von heute 25% bis 2030 auf 35% steigen kann. Im Rahmen der Klimaziele drängt es sich auf, dazu auch auf industrielle/gewerbliche Abwärme im Umkreis des Energieparks Hafen zurück zu greifen.“

Die industrielle Abwärme wird, wo es nur geht, als der wesentliche Vorzug des Energieparks Hafen herausgestellt. Dabei wird konsequent unterschlagen, dass die südlich der Elbe erschließbare sichere und wirtschaftliche Abwärme ganz ohne Elbtrasse als Prozesswärme und Fernwärme südlich der Elbe sinnvoll eingesetzt werden könnte.

Außerdem wurde und wird eine ernsthafte Planung für die Nutzung der wirklich großen Abwärmequelle des Kupferherstellers AURUBIS von zunächst 60 MW und jetzt immer noch 40 MW Leistung verschleppt. Sie wurde nicht selten als Teil der industriellen Wärmequellen südlich der Elbe genannt, obwohl sie zum Einzugsbereich des HKW Tiefstack gehört.

In Kapitel 3.2.2.3 geht es um die Lösungsalternativen

„Die Stadt Hamburg und die Wärme Hamburg GmbH haben für das NEK verschiedene Varianten und Alternativen geprüft.“

Erst nach den Lösungsalternativen zum „Neuen Energiekonzept“ Nullvariante, Weiterbetrieb HKW Wedel und HKW Moorburg) wird es interessant.

Bei der Lösungsalternative Gas-Heizkraftwerk am Standort Wedel oder Stellingen wird verschwiegen und gefälscht:

Planrechtfertigung Seite 5:

„d. Neubau einer Gas- und Dampfturbinenanlage (GuD) am Standort Wedel oder Stellingen [Arrhenius 2012]

2012 wurde im Auftrag der BUE ein Gutachten erstellt, das einen Standortvergleich von Stellingen und Wedel für eine GuD-Anlage gleicher Größenordnung wie das HKW Wedel analysiert. Eine GuD-Anlage am Standort Wedel wäre schneller und kostengünstiger realisierbar als in Stellingen, da Gas-, Strom- und Fernwärmeleitung bereits vorhanden sind und am Standort Stellingen ein hohes Altlastenrisiko besteht. Seit September 2013 liegt für den Standort Wedel eine Genehmigung nach BImSchG für eine GuD-Anlage mit einer Leistung von 400 MWth und 299 MWel vor. Der Standort bietet aber keine Möglichkeit, (industrielle) Abwärme zu nutzen.“

Hier wird das Gutachten Ederhof/Rabenstein verschwiegen, in dem das von der Umweltbehörde BUE bestellte Gutachten [Arrhenius 2012] zu Gunsten des Standorts Stellingen widerlegt wurde. DER BUE ist dieses Gutachten wohlbekannt.

Von [Arrhenius 2012] wurde beim Standort Wedel viel zu wenig berücksichtigt, dass eine Ersatzanlage neben dem weiterlaufenden HKW hätte gebaut werden müssen – eine große Herausforderung – und dazu noch auf der Fläche der Kohlehalde mit einem Untergrund, dessen Verseuchungsgrad erst bekannt wird, wenn die Kohle abgeräumt ist. Also: Von wegen „schneller und kostengünstiger realisierbar“!

Ab Seite 6 werden relativ ausführlich die Ergebnisse des „Beteiligungsprozesses Wedel“ [BET 2015] referiert, allerdings ziemlich verzerrt:

„e. Neubau eines Biomasseheizkraftwerks oder einer GuD-Anlage in Verbindung mit der Nutzung industrieller Abwärme [BET 2015]

2014 wurde im Auftrag der BUE ein Gutachten erstellt, das den Handlungsspielraum für einen Ersatz des HKW Wedel aufzeigt. Das Gutachten gibt die Bandbreite der empfehlenswerten technischen Lösungen und Standorte vor; eine konkrete Empfehlung für eine Investitionsentscheidung enthält das Gutachten nicht.“

Da von BET der Handlungsspielraum aufgezeigt werden sollte, war eine „konkrete Empfehlung“ im „BET-Beteiligungsprozess Wedel“ auch gar nicht vorgesehen!

BET bevorzugte aber klar den Standort Stellinger Moor und riet beispielsweise von Abwasserwärmepumpen wie der nun in Dradenau geplanten ab.

„Erneuerbare Energien lassen sich danach in ein zukünftiges Versorgungskonzept optimal integrieren und technologisch einbinden. Die Gesamtbewertung der Technologien aus erneuerbarer Energie gibt der industriellen Abwärme die höchste Punktzahl (5,2), gefolgt von der Abgas-Wärmepumpe (4,6).“

Eine klare Irreführung:

Bei der „industriellen Abwärme“ ging es im BET-Beteiligungsprozess um die von AURUBIS (!) (siehe oben), nicht um Miniquellen wie in Dradenau. Die AURUBIS-Abwärme hätte über einen Anschluss an das Heizwerk Hafencity in das westliche Teilnetz eingespeist und für den Ersatz des HKW Wedel genutzt werden können. Vattenfall wollte das nicht, weil der Konzern sein Kohle-HKW Wedel anschließen wollte.

„Abgas-Wärmepumpe“ ist Teil eines Kraftwerks selbst und ganz etwas anderes als „Abwasserwärmepumpe“ in Dradenau. Hier wird in der „Planrechtfertigung“ ganz offensichtlich „getäuscht“.

„Eine gasbefeuerte konventionelle Kraftwärmekopplungsanlage ist damit kombinierbar und technisch, wirtschaftlich und ökologisch umsetzbar, wobei eine GuD-Anlage und gasbefeuerte Großmotoren in etwa gleichwertig sind, die Einbindung industrieller Abwärme ist vorteilhaft und machbar. Die Einbeziehung eines Biomasseheizkraftwerkes wäre zwar ökologisch sinnvoll, würde aber zu höheren Fernwärmeerzeugungskosten führen.“

Hier kommen die „Fernwärmeerzeugungskosten“ vor, einer der Hauptkritikpunkte am Energiepark Hafen in Dradenau infolge von insgesamt ca. 200 Mio. Euro Mehrkosten für die Elbtrasse.

„Einbindung industrieller Abwärme“ bezog sich auf die AURUBIS-Abwärme von damals 60 MW Leistung.

„In einem weiteren Schritt wurden vier Szenarien für mögliche Kombinationen untersucht, von denen eine mittlere KWK-Anlage mit der Einbindung industrieller Abwärme hinsichtlich Kosten- und Ökoeffekt am besten abschneidet.“

„Industrielle Abwärme“ von AURUBIS (!), um die sich die BUE danach aber gar nicht bemühte, sodass das Unternehmen enercity auf 20 MW davon zugreifen konnte.

„In der Standortprüfung wurden knapp 20 Standorte, verteilt auf den gesamten Stadtbereich einschließlich Hafenbereich, näher untersucht. Dabei wurde der Hafenbereich grundsätzlich als Kraftwerksstandort geeignet bewertet, insbesondere hinsichtlich der Einbindung industrieller Abwärme.“

Dass der Hafenbereich grundsätzlich als Kraftwerksstandort als geeignet bewertet worden sein soll ist irreführend. Moorburg und der benachbarte Kattwykdamm und die Kattwykinsel wurden als Standorte bewertet. Ergebnis: „Die Moorburg-Trasse stellt die „schlechteste“ Alternative dar. … Die Moorburg-Anbindung ist in dem gewählten Bewertungsrahmen keine sinnvolle Option. Die schlechte Bewertung beruht auf den hohen Kosten für den Leitungsbau, den hohen CO2-Emissionen dieses Kohlekraftwerks und einem Kostenrisiko für den Wärmebezug.“

„Der damals ebenfalls geeignete Standort Stellingen ist mittlerweile durch die Planung des Zentrums für Ressourcen und Energie (ZRE) der Stadtreinigung räumlich stark eingeschränkt.“

Das ist völlig falsch. Es gibt keine räumliche Einschränkung durch die Planung des ZRE.
Das ZRE wird ausschließlich auf dem Gelände der Stadtreinigung als Ersatz für die dortige Müllverbrennungsanlage errichtet. Davon abgetrennt ist die seit mehr als 20 Jahren ungenutzte Fläche einer früheren Kläranlage, die sogar etwas größer ist als die verfügbare Fläche in Dradenau.

http://trasse-stoppen.bplaced.net/wordpress/die-nordvariante-im-stellinger-moor/

Öffentliche Falschaussagen von Senator Kerstan (Wortprotokolle) wurden widerlegt. Das ist durch eine SKA der LINKEN und durch Wortprotokolle sehr gut belegt.

http://trasse-stoppen.bplaced.net/wordpress/aktivitaeten/kerstan-am-16-9-19/

Das seitherige Bemühen, hier Flächen für Bedarfe von städtischen Unternehmen zu reservieren, ist eindeutig als Schachzug zur Durchsetzung der Elbtrasse zu verstehen.

Planrechtfertigung Seite 6:

„f. Einsatz 100% erneuerbare Energien südlich (Hafen) oder nördlich (Stellingen, Wedel) der Elbe [HIC 2016]

In einem weiteren Gutachten im Auftrag der BUE wurde 2016 ein Handlungsvorschlag für den Ersatz des HKW Wedel erarbeitet, der die damaligen Klimaschutzziele des Hamburger Senats, jetzt manifestiert in HmbKliSchG und Hamburger Klimaplan, erreicht.

Es erfolgte eine Potenzialanalyse, bei der der Fokus auf der Nutzung erneuerbarer Energien (EE) sowie industrieller und gewerblicher Abwärme lag. Aus diesen Energiequellen wurden Anlagenkonzepte entwickelt und bewertet. Aus den einzelnen Anlagenkonzepten wurden sechs Varianten gebildet und bewertet. Das Ergebnis zeigt, dass die Systemintegration erheblicher Anteile an EE und Abwärme in das Fernwärmesystem technisch und wirtschaftlich möglich ist. Die Erschließung des Standortes Stellingen für die Fernwärmeversorgung auf Basis erneuerbarer Energien wird empfohlen. Der Bau einer die Elbe unterquerenden großen Fernwärmeleitung biete erhebliche Potenziale zur Erschließung von EE-Potenzialen. Das Gutachten betont, dass eine vollständige Dekarbonisierung der Fernwärme in Hamburg nur über eine Erschließung des Hamburger Südens bzw. des Hafens möglich ist.“

Mit der „Erschließung des Standortes Stellingen …“ dürfte das ZRE, verbunden mit einem Biomasse-Heizwerk, einem Stroh-Heizwerk und einem Aquiferspeicher gemeint sein.

Das Gutachten [HIC 2016] wurde – u. a. im Energienetzbeirat durch eine Arbeitsgruppe – als viel zu optimistisch hinsichtlich der südlich der Elbe gelegenen Wärmequellen eingestuft. Das entsprechende Dokument des Energienetzbeirats wird in der „Rechtfertigung“ nicht aufgeführt.

Aus heutiger Sicht ist HIC-Gutachten nicht mehr ernst zu nehmen. Es enthält nicht das jetzt vorgesehene große Gas- und Dampf-Heizkraftwerk in Dradenau. Es bildete aber die ideologische Grundlage der weiteren Planung durch die Umweltbehörde BUE.

Planrechtfertigung Seite 7:

„g. „Alternatives Szenario“ zum Ersatz Wedel unter Nutzung verschiedener Module [BUE 2017/2018], Standort südlich oder nördlich der Elbe

Vor dem Hintergrund der Entscheidung, nunmehr vorrangig gegenüber dem Projekt „GuDSzenario“ am Standort Wedel das modulare Konzept zu verfolgen [VWH 2016], wurde von der Wärmegesellschaft ein modulares Energiekonzept entwickelt mit dem Ziel, vorhandene Wärmequellen zu erschließen und an das zentrale Fernwärmenetz Hamburgs anzuschließen. Ergebnis waren zwei modulare Varianten, die sog. Süd-Variante und die sog. Nord-Variante. Bevorzugt wurde die Süd-Variante mit den folgenden Anlagenkonfigurationen:
industrielle Abwärme, Wärmepumpe Dradenau, Abfallwärme MVR, Biomasse- und Ersatzbrennstoffanlage Stellingen (ZRE), Aquiferspeicher Dradenau, Nacherhitzung Dradenau. Die Gesamtleistungen der neuen Erzeugungsanlagen betragen planerisch rund 450 MWth, von denen rund 18 MWth durch industrielle Abwärme bereitgestellt werden. Die Süd-Variante ist geeignet, die klimapolitischen Ziele einzuhalten und den zukünftigen Wärmebedarf zu decken.

Die Nord-Variante sah keine Nutzung der Abwärme aus Industrie und Abfall vor, sodass eine Dekarbonisierung der Fernwärme nicht möglich wäre.“

Hier werden richtigerweise 18 MWth von 450 MWth als industrielle Abwärme genannt. Diese 4 Prozent werden immer wieder als die entscheidende Rechtfertigung für den Bau der Elbtrasse herangezogen.

Die sog. Nord-Variante sah sehr wohl die Nutzung von Abfallwärme vor und zwar im ZRE.

Die sog. Nord-Variante war ein ziemlich absurdes Konglomerat, das unter Verzicht auf das Stellinger Moor (!) so konstruiert war, dass es von Anfang an der sog. Süd-Variante unterlegen sein musste. Eine ernsthafte Diskussion hierüber zum Beispiel im Energienetzbeirat wurde nie geführt.

Diese sog. Nord-Variante war ganz offensichtlich von Vattenfall konstruiert worden, um die Wahl der Süd-Variante abzusichern und damit den Bau einer Elbtrasse. Vattenfall wollte keineswegs eine Energiepark Hafen, sondern wollte unbedingt sein Kraftwerk Moorburg an die Fernwärme anschließen. Voraussetzung war der Bau einer Elbtrasse, die bis zur Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm (MVR) laufen sollte. Eine zweite Trasse von Moorburg zur MVR wurde von Vattenfall beantragt. Ein Scopingverfahren hierfür wurde eingeleitet, allerdings von der Umweltbehörde BUE gestoppt.

Hier ist hervorzuheben, dass die vergleichende Prüfung von Nord- und Süd-Variante, von der Senator Kerstan öffentlich behauptete, sie sei erfolgt, offenbar nur auf einen Vergleich einer Süd-Variante mit diesem Popanz von Nord-Variante zurückgeführt wird. In einer öffentlichen Veranstaltung in der Volkshochschule West mit Senator Kerstan wurde von Anwesenden nach „Berichten oder Studien“ zu dieser vergleichenden Prüfung des Standorts Stellingen gefragt, ohne dass Kerstan solche nennen konnte.

Einen nachweisbaren belastbaren Vergleich der BUE zwischen Dradenau und Stellinger Moor hat es also nicht gegeben!

http://trasse-stoppen.bplaced.net/wordpress/wp-content/uploads/2019/10/Kerstans-Vortrag-in-VHS-am-16.9.2019.pdf

http://trasse-stoppen.bplaced.net/wordpress/wp-content/uploads/2019/10/Diskussion-mit-Senator-Kerstan-in-Gro%C3%9F-Flottbek-am-16.9.2019.pdf

 Planrechtfertigung Seite 7:

„h. Modifizierte Nordvariante mit ZRE, Biomasse und Gas-KWK am Standort Stellingen (AG des ENB, 2017ff)

Die Arbeitsgruppe des Energienetzbeirates zur „Ausgestaltung der Ersatzlösung für das HKW Wedel“ wertete die vorstehend genannten Gutachten aus und modifizierte die Komponenten der sog. Nord-Variante.“

Das ist falsch. In der Darstellung der „Rechtfertigung“ wird übergangen, mit welchem Auftrag der Energienetzbeirat Ende 2018 eine Arbeitsgruppe einsetzte: „Der Energienetzbeirat empfiehlt der Behörde für Umwelt und Energie (BUE), unverzüglich eine Ersatzlösung für das Heizkraftwerk Wedel zu prüfen, die keine Elbquerung benötigt und die auf dem vom Beratungsbüro BET im Jahr 2015 vorgeschlagenen modularen Ansatz mit Schwerpunkt am Energiestandort Stellinger Moor aufbaut.“

Diese „Arbeitsgruppe“ modifizierte also keineswegs die sog. Nord-Variante von Vattenfall von 2017, sondern schloss direkt an die Vorarbeiten und Empfehlungen von BET (siehe oben) an. Die Behauptung in dieser „Rechtfertigung“ ist eine böswillige Entstellung!

„Sie empfahl eine Erweiterung der Anlagen am Standort Stellingen zum „Energiepark Stellingen“ mit einer umfangreichen Biomassenutzung anstelle der zusätzlichen Wärmeleistung am Haferweg.“

Die „Arbeitsgruppe“ sah auch im Stellinger Moor ebenfalls ein GuD-Heizkraftwerk vor, aber ein kleineres als das in Dradenau geplante. Sie sah auch große Flächen an Solarthermie vor, die sich im Süden nicht realisieren ließen.

„Wärmeleistung am Haferweg“ bezieht sich fälschlicherweise auf die „Modifikation“ der sog. Nord-Variante von Vattenfall, an die die Arbeitsgruppe gerade nicht anschloss. Eine Nutzung von Spitzenleistung vom Heizwerk Haferweg wurde von der Arbeitsgruppe ebenso wie bei der Südvariante vorgesehen. Für die genannte „Biomassenutzung“ empfahl die „Arbeitsgruppe“ die Nutzung von zusätzlichem Altholz, mit dem sich sehr preisgünstig Fernwärme erzeugen lässt.

„Die Arbeitsgruppe resümierte am 18.4.2019, dass die nunmehr verglichene Süd-Variante deutlich teurer werden würde als die Nord-Variante. Die Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit sowie Preisstabilität ist für Biomasse bis heute nicht nachgewiesen.“

Die Behauptung im zweiten Satz ist total falsch. Die Arbeitsgruppe verwies auf sehr preisgünstiges zusätzliches Altholz, das durch das Auslaufen der EEG-Vergütung für Stromerzeugung aus Biomasse im Zeitraum 2021 bis 2026 frei werden wird und von Wärme Hamburg kontrahiert werden könnte.

Interessanterweise verhandeln die Umweltbehörde und Wärme Hamburg zurzeit mit IfaS, einem Dienstleister der Deutschen Gesellschaft für die Entwicklungszusammenarbeit (GIZ), über die Lieferung von großen Mengen von Holz aus der Entbuschung Namibias. Angeboten wurde dieses Buschholz für den Ersatz der HKW Tiefstack und Wedel. Zu diesem Zweck wurde sogar schon ein Memorandum of Understanding (MoU) zwischen Hamburg und IfaS abgeschlossen.

Dieses Holz wird viel mehr kosten als Altholz und Restholz in Deutschland. Versorgungssicherheit und Preisstabilität sind dabei sehr zu bezweifeln.

„Wegen der geplanten Erweiterung des Wasserschutzgebiets (WSG) Eidelstedt/Stellingen in Richtung Südosten sind erhebliche Erschwernisse für die Genehmigungsfähigkeit von Anlagen mit wassergefährdenden Stoffen oder Abfällen an diesem Standort zu erwarten.“

Zum Wasserschutzgebiet: Wenn dies so wäre, dann hätte auch das angrenzende ZRE keine Genehmigung erhalten dürfen. Es liegt ebenfalls in der geplanten Erweiterung und musste daher hierauf Rücksicht nehmen.

„Leistungsfähige Anschlüsse zur erforderlichen Erschließung und Anbindung des „Energiepark Stellingen“ sind nicht vorhanden.“

Die exakten Anschlusskosten zur Anbindung des „Energieparks Stellingen“ an Strom- und Gasnetz wurden von der „Arbeitsgruppe“ des ENB mit Dokumenten von Stromnetz Hamburg und Gasnetz Hamburg vorgelegt und es wurde zweifelsfrei gezeigt, dass sie weit unter den Kosten für alle Trassen der Südvariante liegen würden.

Planrechtfertigung Seite 7:

„3.2.2.4 Ergebnis

Als Ergebnis aus den früher geprüften Konzepten wurde das „Neue Erzeugungskonzept (NEK)“ entwickelt und vom Hamburger Senat beschlossen [Drucksache 21/14636].“

Hier stimmt, dass das „NEK“ vom Senat beschlossen wurde. Wo aber bleibt ein Beschluss der Bürgerschaft mit einer Diskussion über die oben behandelten Alternativen?

In der Bürgerschaft ging es um eine Beratung über den Rückkauf der Fernwärme. Eine Ersatzkonfiguration für Wedel wurde in diesem Zusammenhang nur angesetzt, weil im Rückkauf-Gutachten eine solche benötigt wurde.

„Das NEK setzt sich aus dem Energiepark Hafen mit einer KWK-Anlage und der Anbindung verschiedener Wärmequellen und den dezentralen Anlagen nördlich der Elbe, dem Zentrum für Ressourcen und Energie (ZRE) und dem Heizwerk Haferweg, zusammen. Eine Übersicht des NEK mit seinen Anlagenstandorten gibt Abbildung 3.2–1.“

„Der Energiepark Hafen entsteht auf der Dradenau-Ost, da hier sowohl eine ausreichend große, unbebaute Fläche für die KWK-Anlage vorhanden ist als auch große Abwärmepotenziale von Industrieunternehmen, der Kläranlage und der Müllverwertungsanlage Rugenberger Damm liegen.“

Die großen Abwärmepotenziale von Industrieunternehmen wurden in Diskussionen immer wieder genannt, aber es konnten bis heute nur wenige gefunden werden. Aus den oben genannten 18 MWth sind bis heute 23 MWth geworden.

Die vorhandenen Abwärmepotenziale könnten recht sinnvoll ohne eine Elbtrasse zur Deckung von Prozesswärmebedarf und Fernwärmebedarf südlich der Elbe eingesetzt werden. Um eine Erkundung dieser Potenziale hat sich die BUE/Vattenfall/WH-Planung aber nie bemüht.

„In der KWK-Anlage wird die Wärme der Dritteinspeiser gebündelt und durch die hier beantragte Fernwärmeleitung unter der Elbe bis nach Bahrenfeld in das vorhandene Fernwärmenetz transportiert. Die erforderliche Elbquerung ist somit auch eine strategische Entscheidung, die vor einem langfristigen Horizont getroffen wurde. Mit diesem modularen Konzept kann der oben ermittelte Bedarf gedeckt, CO2-Emissionen eingespart und wesentliche Ziele des HmbKliSchG erreicht werden.“

Die Fernwärme aus der Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm wird mit fadenscheinigen, von der Fernwärmelobby AGFW übernommenen Begründungen als „fast klimaneutral“ bewertet, obwohl dort in großen Mengen Plastikabfall aus fossilen Rohstoffquellen verbrannt wird.

Auch die Wärme aus der Abwasserwärmepumpe ist bei weitem nicht klimaneutral, obwohl sie hoch subventioniert wird.

Mit diesen Tricks wird behauptet, „wesentliche Ziele des HmbKliSchG“ zu erreichen.

Planrechtfertigung Seite 9:

„Die Standortauswahl für die Anlage beruht auf der Vielzahl an Unternehmen mit Abwärmepotenzial im westlichen Hafengebiet, die als Dritteinspeiser an die KWK-Anlage technisch geeignet wären und mindestens eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert haben, teilweise bereits (Vor-)Vertragsverhandlungen aufgenommen haben (Abb. 3.2–2).“

Das Problem mit vielen Dritteinspeisern ist, dass von ihnen schon lange gesprochen wird, ohne dass sie sich zeigen. Weiter, dass nicht langfristig gesichert werden kann, dass die gefundenen lieferfähig sein werden. Die Wärme Hamburg GmbH könnte sich dadurch erpressbar machen, dass solche Unternehmen wie Stahl- und Aluminiumerzeuger nach Ereignissen wie CORONA abwandern könnten, es sei denn Hamburg stellt Subventionen bereit.

(Am 24.7.20 wurde gemeldet, dass Thyssen-Krupp den Verkauf seiner Stahlsparte erwägt. Ähnlich könnte auch ArcelorMittal seine Stahlproduktion im Hamburger Hafen einstellen.)

„ArcelorMittal Hamburg
In einer ersten Machbarkeitsstudie konnten für das Stahlwerk ArcelorMittal Abwärmequellen mit Abwärmepotenzialen bis zu einer Spitzenleistung von 18 MW Wärme ermittelt werden.“

Im Mittel sind es nur 10 MW. Eine vertragliche Vereinbarung scheint noch nicht zu existieren. ArcelorMittal ist kaum ein „sicherer“ Lieferant.

„TRIMET Aluminium
Das Aluminiumwerk TRIMET bietet Abwärmepotenziale mit bis zu 11,7 MW Spitzenlast Wärme.“

Im Mittel sind es 8 MW. Kein sicherer Lieferant.

„Hydro Aluminium Rolled Product
Die Hydro bietet Abwärmepotenziale für eine Spitzenlast von ca. 10 MW Wärme.“

Durchschnittlich sind es 5 MW. Kein sicherer Lieferant.

Planrechtfertigung Seite 10:

„Hamburg Wasser
Hamburg Wasser plant den modularen Bau von Abwasser-Wärmepumpen am Klärwerk Dradenau.

Derzeit befinden sich zwei Module mit jeweils 15 MWth in konkreter Planung, das Konzept kann um zwei weitere Module mit jeweils 15 MWth erweitert werden, sodass bis zu 60 MW Wärme bereitgestellt werden können.“

Die Wärme der Abwasser-Wärmepumpen ist wenig klimafreundlich, da sie mit Strom aus fossilen Wärmequellen angetrieben wird. Nur mit hohen Subventionen der Bundesregierung ist diese Nutzung durchführbar. Der genannte Ausbau ist wenig wahrscheinlich. Da die Anlage sehr „innovativ“ ist, kann kaum von einem sicheren Lieferanten ausgegangen werden.

„MVR Müllverwertung Rugenberger Damm
Die MVR befindet sich seit Februar 2020 im vollständigen Besitz der Stadtreinigung Hamburg (SRH). Durch Umbaumaßen in der Anlage kann ein zusätzliches Abwärmepotenzial von 15 MW geschaffen werden, sodass sich ein Wärmeauskopplungspotenzial von insgesamt ca. 40 MW ergibt.“

Die technische Einbindung der MVR in das Konzept erscheint gegenwärtig noch immer offen. Es ist auch noch nicht gesichert, ob der Umbau der Anlage vorgenommen werden wird. Denn die Wärme Hamburg GmbH muss wegen der hohen Trassenkosten sparen.
Auf den Trick einer angeblich „fast klimaneutralen“ Müllwärme wurde oben schon hingewiesen.

„VERA Klärschlammverbrennung
Für die VERA, eine Anlage der Hamburger Stadtentwässerung (HSE), auf dem Köhlbrandhöft können wesentlichen Potenziale zur Abwärmenutzung aus der Brüdenkondensation mit einer Spitzenleistung bis zu 8 MW Wärme identifiziert werden, allerdings steht die technische Machbarkeit noch unter dem Vorbehalt einer neuen Köhlbrandquerung mit einem Dampfeitungsdüker, da der vorhandene Düker für die Einspeisung des gesamten Wärmepotenzials zu klein und der Raum planungsbetroffen durch das Vorhaben „Ersatzbauwerk Köhlbrandbrücke“ ist.“

Durchschnittlich sind es allenfalls 5 MW. Die gestrichelt gezeichnete Leitungs-Anbindung ist für die verfügbare Leistung viel zu teuer, sodass keine Wirtschaftlichkeit erreicht werden wird. (Klares Ergebnis der „Arbeitsgruppe“ des des Energiebeirats)

„In Summe kann über die Dritteinspeiser standortgebunden eine Spitzenlast von über 100 MW gewonnen werden.“

Beim letzten Bericht von Dr. Beckereit, einem der Geschäftsführer der Wärme Hamburg GmbH, am 24.10.2019 im Energienetzbeirat wurde die Leistung der Industriellen Abwärme mit „rund 17 MW“ und die der Abwasser-Wärmepumpe mit 30 MW angegeben. Rund 50 MW im Durchschnitt sind daher realistischer als die hier genannte „Spitzenlast“.

Der wirklich sicher realisierbare Anteil an Wärmeleistung könnte ohne die teure Elbtrasse auch für Prozess- und Fernwärme südlich der Elbe sinnvoll eingesetzt werden, wenn die Akteure es nur wollten.

„Mit dem Heizwerk Haferweg (50 MW), dem Zentrum für Ressourcen und Energie (60 MW) am Stellinger Moor und der KWK-Anlage Dradenau (290 MW) kann der vollständige Ersatz, der heute aus dem HKW Wedel bereitgestellten 393 MW thermischer Leistung, gewährleistet werden. Um die hier erzeugte Wärme in das städtische Fernwärmenetz zu bringen, ist der Bau und Betrieb der Fernwärmesystemanbindung (FWS) West notwendig.

Das NEK kann mit seinen dargestellten Modulen zunächst nur den Ersatz für das HKW Wedelgewährleisten. Die erforderlichen Ausbaukapazitäten bis 2030 benötigen weitere Erzeugungsanlagen, die auch im Rahmen des NEK beispielsweise durch die Nutzung weitererindustrieller Abwärmequellen geschaffen werden können.“

Seit Jahren wird von „weiteren industriellen Abwärmequellen“ gesprochen, die aber offenbar nicht zu entdecken sind.

„Das NEK beruht demnach auf einer umfassenden Ermittlung von technischen Alternativen und Standortvarianten, bei denen sich der Standort für die KWK-Anlage Dradenau unter energiepolitischen Aspekten, wirtschaftlichen Bedingungen und weiteren umweltrelevanten Aspekten wie der Nutzung bestehender Leitungen und Anbindung an bestehende Industrieabwärmequellen durchgesetzt hat.“

Ein wirtschaftlicher Vergleich des „Neuen Energiekonzepts“ mit einem Ersatz des HKW Wedel im Stellinger Moor wurde bei der Planung konsequent vermieden, weil Vattenfall die Zustimmung zur Elbtrasse als Voraussetzung einer Einigung mit der Umweltbehörde BUE machte. Vattenfall wollte mit dieser und einem zweiten Teilstück sein Kraftwerk Moorburg an die Fernwärme anschließen und so dessen Bestand dauerhaft sichern.

„Die KWK-Anlage Dradenau stellt sich damit nach einer umfassenden Alternativenprüfung als ein Zwangspunkt für eine Fernwärmeleitung aus dem Energiepark Hafen in den nördlichen Stadtbereich dar. Der zweite Zwangspunkt entsteht durch die Fernwärmeempfänger in den Stadtgebieten nördlich der Elbe, zu denen die im Energiepark Hafen zusammengestellte und ergänzend erzeugte Wärme transportiert werden muss.“

Eine „umfassende Alternativenprüfung“ unter Einschluss des Standorts Stellinger Moor hat nie stattgefunden. Damit umgeht der Senat die haushaltsrechtlichen Vorschriften, die nach der Landeshaushaltsordnung (Verwaltungsvorschrift, § 7 (2)) die Entwicklung alternativer Lösungsmöglichkeiten und bei Maßnahmen von erheblicher finanzieller Bedeutung Nutzen-Kosten-Untersuchungen vorschreiben.

Planrechtfertigung Seite 11:

„Das NEK ist als Beschluss des Senats für die Wärme Hamburg GmbH als Vorhabenträgerinder FWS-West vorgegeben und als solches nicht mehr Bestandteil der eigenen Planungender Wärme Hamburg GmbH.“

Es ist sehr interessant, dass für das Neue Energiekonzept wiederum kein Beschluss der Bürgerschaft, sondern nur einer des Senats angeführt wird.

Wärme Hamburg schiebt also ganz korrekt die Schuld für das Neue Energiekonzept dem Senat bzw. der BUE zu.

„Dies folgt schon daraus, dass § 2 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Wärme Hamburg GmbH vom 02.09.2019 das Unternehmen verpflichtet, sein Handeln an den Grundsätzen einer sicheren, wirtschaftlichen, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltgerechten Energieversorgung auszurichten.“

Das Dilemma der Wärme Hamburg GmbH: Das Neue Energiekonzept mit dem Energiepark Hafen ist nicht sicher (Risiko Elbtrasse!), nicht wirtschaftlich, nicht preisgünstig, nicht verbraucherfreundlich, nicht effizient und nicht umweltgerecht, aber als Beschluss des Senats für die Wärme Hamburg GmbH als Vorhabenträgerin der FWS-West vorgegeben!

„Es ist dem Klimaschutz verpflichtet und hat die ökologischen, energie- und umweltpolitischen Ziele des Senats und die sonstigen vom Senat festgelegten öffentlichen Interessen zu beachten. Vor diesem Hintergrund kann die Wärme Hamburg GmbH – nicht zuletzt angesichts der verfassungsmäßigen Bindung des Senats an Recht und Gesetz – aufgrund der vorstehend dargestellten, dem NEK zugrunde liegenden Planungen davon ausgehen, dass das NEK als Beschluss des Senats auf einer tragfähigen Planungsgrundlage beruht und dass seiner Realisierung keine grundlegenden Hindernisse entgegenstehen. Das NEK bietet damit der Wärme Hamburg GmbH für die Ausgestaltung der FWS-West Zwangspunkte für beide Enden der Leitung.“

Diese Distanzierung der Wärme Hamburg GmbH vom Neuen Energiekonzept (NEK) mit Energiepark Hafen ist sehr bemerkenswert!